Es berichtet direkt aus Togo Silvia und Klaus Schmid.
Morgen früh geht es los. Die Togo-Projekt-Reise 2019 von Togo-Hilfe e.V. Rheinbach startet wieder. Die Reise wird spannend wie selten. Die Ausstattung eines Augenprüfraums wurde in Deutschland abgebaut, verschifft und soll nun in Kpalimé in Togo wieder aufgebaut werden. Wir sind gespannt, ob alle Geräte gut angekommen sind und ob es klappt, die ganze Elektrik wieder funktionsfähig zu installieren. Der Optiker Kollege Kai Rosinsky, der den Augenprüfraum gespendet hat, reist spontan mit, um beim Aufbau zu helfen. Togo-Hilfe e.V. Rheinbach hat schon einmal eine Zahnstation aus Deutschland erfolgreich nach Kpalimé transportiert und dort im Krankenhaus in Betrieb genommen. Die ist nun schon seit vielen Jahren in Betrieb. Am Anfang der Reise sind wir zu fünft. Wenn jeder seine Koffer mit 2x23 kg voll macht und die 12 kg Handgepäck ebenfalls komplett ausnutzt, sind wir bei 290 kg. Das will erst mal gepackt sein. Für den eigenen Bedarf nimmt man nur das notwendigste mit. Unsere Koffer sind mit vielen anderen Sachen gefüllt – Süßigkeiten, Schulhefte, Bücher, Zahnbürsten, Kinderschuhe, Kugelschreiber, usw.
Wir stehen um 6 Uhr morgens auf, Uschi ist um 6:30 Uhr los und Michael’s Zug sollte um 6:47 Uhr fahren.Uschi, Klaus und Silvia treffens sich bereits in Stuttgart, Kai und Michael kommen von Frankfurt. Michael hat schon seine eigene Odysse hinter sich und eine eigene Geschichte zu erzählen. In Paris regnet es zunächst als wir ankommen. Später schneit es. Als wir starten sollen, hat die Air France Maschine bereits fast eine Stunde Verspätung. Uns wird zunächst erzählt, dass die Cabine nicht gereinigt gewesen sei. Außerdem ist die Startbahn vereist. Wir sind auf dem Rollfeld und warten noch eine weitere Stunde. Als wir kurz vor der Abflugposition sind, sagt man uns, wir müssen auf Startposition zurück, eine Gepäckklappe sei offen. Hätten wir jetzt nicht so eingeschätzt, dass ein Airbus 330 mit offener Gepäckklappe auf’s Rollfeld fahren kann, ohne dass der Crew irgendwelche Warnsysteme im Cockpit um die Ohren fliegen? Und die Maschine muss nochmal aufgetankt werden. Als wir erneut in Startposition sind, müssen wir enteist werden. Anstelle um 15:30 Uhr heben wir um 20:00 Uhr ab und kommen um 1:00 Uhr Ortszeit in Lomé an.
Unterwegs mussten wir die Uhr um eine Stunde zurückstellen. Diese Reise war eine Odysse, die unsere Geduld auf eine harte Probe gestellt hat. In Lomé angekommen, müssen wir zunächst zum Fiber Messen anstehen. Inzwischen wird man nicht mehr vom Arzt mit dem Termometer angepeilt, wie früher, sondern man steht vor ein Terminal, das mit Sensorik ausgestattet ist und die gemessene Temperatur am Bildschirm anzeigt. Ebola ist halt immer wieder ein Thema in Afrika. Über die derzeitige Ebola Epidemie im Kongo, der inzwischen ca 2.000 gemeldete Personen zum Opfer gefallen sind, und die derzeit droht, auf die Nachbarstaaten über zu greifen, kriegt man in Deutschland wenig mit.
Als nächstes stehen wir über eine Stunde bei der Passkontrolle an. Beim Ausgang muss jedes noch so kleine Gepäck zum Durchleuchten auf ein Band gelegt werden. Die kleinen Gepäckabschnitte muß man während des Flugs aufbewahren, die werden hier kontrolliert und mit den Ziffern der Gepäckbänder am Koffer verglichen, damit auch ja niemand einen falschen Koffer mitnimmt.
Nach einer weiteren Stunde sind wir auf unseren Zimmern im Seemannsheim. Die Fahrt zu dieser nachtschlafenden Zeit vom Flughafen durch Lomé zum Seemannsheim verläuft erstaunlich ruhig und verkehrsbefreit. Offenbar gibt es doch ein Zeitfenster bei dem die Togoer beim Schlafen sind. Im Seemannsheim werden wir vom Personal sehr herzlich empfangen –trotz der unchristlichen Zeit. Nun aber ab ins Bett – in ein paar Stunden ist arbeitseinsatz.
Morgens frühstücken wir erst um 9 Uhr. Zusätzlich zum Seemannsheim Standardfrühstück gibt es heute Obst Teller – Bananen, Orangen, Ananas und Papaya.
Kai und Michael werden nach dem Frühstück von Joachim Milz abgeholt. Als erstes kommt überraschend Eyram vorbei. Sie hat eine zweite Tochter bei sich – Marie, 1 Jahr alt. Ihre Tochter Emmanuelle
ist eine aufgeweckte 4-Jährige, die uns mit Mama’s Smartphone fotografiert und begeistert ihre Fotos von vor zwei Jahren anschaut. Eyram arbeitet bei der Deutschen Botschaft.
Nach Eyram kommt Pélagie. Pélagie war früher mal ein Patenkind. Wir treffen sie weiterhin jedes Jahr und verfolgen ihre Geschichte. Sie hat Versicherungswesen studiert. Pelagie hat uns ein
Mittagessen mitgebracht, das sie selbst für uns gekocht hat – mit Teller und Besteck: gebratene Kochbananen mit Gemüse, Eiern und Tomaten-Zwiebel-Soße. Sie erzählt, dass sie immer noch – wie seit
einigen Jahren – bei einer libanesischen Gesellschaft im Hafen arbeitet, die ihren Vertrag jährlich immer nur befristet auf ein Jahr verlängert. Nach Pélagie kommt Josephine vorbei und
anschließend haben wir Termin beim Studentenradio.
Gegen 13:30 Uhr fahren wir mit dem Taxi zum Radiosender. Bei Kanal FM 93.5, dem Sender der neuen Generation, sitzen wir im blauen Sendestudio mit Egbatao und seinen Freunden und machen zusammen die Radiosendung „L’Allemand par la Radio“ – „Deutsch über’s Radio“. Im Rahmen der Sendung fordert Egbatao uns auf, den Verein und das Motto von Togo-Hilfe e.V. vorzustellen. Was versteht man unter „Hilfe zur Selbsthilfe“? Wir werden gebeten, über unsere aktuellen Projekte zu sprechen. Wir stellen AGERTO vor und machen ein bisschen Werbung für die Berufsausbildung bei AGERTO. Während der Sendung schicken Soke und Cefako, die früher beim Team waren, Grüße aus Hannover – sie verfolgen gerade die Sendung über’s Internet.
Nach dem wir ins Seemannsheim zurückkehren, kommen weitere Patenkinder wie z.B. die Familie Laté mit Jean-Claude, Angèle und Marie-José. Wir sprechen über das Studium der Mädchen und die schulische Situation von Jean-Claude. Anschießend kommt Elom mit seiner Mutter. Er studiert Software-Entwicklung an einer privaten Hochschule und parallel Personalmanagement an der Uni. Elom ist sehr begabt und engagiert. Als letzer Besucher kommt Nelson. Er ist gerade dabei, seine Bachelorarbeit zu verteidigen und muss für die Prüfungskommission einige Passagen überarbeiten, damit er seine Abschlussnote bekommt. Derzeit arbeitet er unentgeltlich für einen Betrieb – er kriegt nur eine Fahrkostenerstattung. Er hofft auf einen Anstellungsvertrag, sobald er seinen Abschluss in der Tasche hat.
Am Abend sitzen wir an der Bar vom Seemannsheim und der Barkeeper erzählt uns eine traurige Geschichte. Gérard, der früher an der Rezeption im Seemannsheim gearbeitet hat, ist am 6.11.2019
verstorben. Er war seit ungefähr einem Jahr krank. Gérard war 46 Jahre alt. Durch die Krankheit hat er seine Arbeit verloren. Er hatte kein Einkommen mehr, um seine ärztliche Behandlung und
seinen Lebensunterhalt zu finanzieren und ist aufgrund dessen verstorben. Er hinterlässt eine Frau mit drei Kindern, das Kleinste ist ein 10 Monate altes Baby. Die Familie wohnt in Badou, weiter
im Norden von Togo.
Um 8 Uhr frühstücken wir zu Dritt – Uschi, Silvia und Klaus – im Seemannsheim. Um 9 Uhr soll es losgehen. Wir warten auf Uschi. Schließlich fahren wir los – zunächst zu Hezouwé.
Aimé hat glücklicherweise einen Bus gemietet. Seli fährt auch mit. Mit dem Fahrer sind wir zu sechst. Hezouwé wohnt in Djagblé, das ist außerhalb von Lomé. Im Nordosten ist Lomé durch ein Sumpfgebiet begrenzt. Das muss man durchqueren um nach Djagblé zu kommen. Die Straße dorthin ist nur teilweise geteert. Sie befindet sich seit Jahren im Bau und es wird in jedem Jahr besser. Zuerst wurde der Damm verbreitert und der Untergrund befestigt. Jahrelang sind wir über die staubige Piste hier herausgefahren.
Inzwischen ist fast die Hälfte geteert. Auf dem restlichen Stück Piste kommt man nur im Schritt-Tempo voran – so uneben ist das. Die Tempo-Limit Schilder mit 30km/h kommen uns ziemlich witzig vor – aber so bald irgendetwas fahrbar zu sein scheint, brettern die Togoer in wahnwitzigem Tempo los. Die Straße geht mitten durch das riesige Sumpfgebiet. Das Sumpfgebiet ist von kleinen Flüsschen und Seen durchzogen. Man sieht Fischer bei der Arbeit. Es gibt auch einige Reisfelder. Dazwischen gibt es immer wieder wilde Müllkippen. Die Menschen vergiften damit ihr Wasser – und sie wissen das oft nicht – nur eines der vielen Umweltprobleme in Lomé. Am Straßenrand wird Zuckerrohr verkauft.
Hezouwé ist Waise, ihre Mutter ist vor einigen Jahren gestorben. Sie lebt bei der Tante, die sie zu ihren drei eigenen Töchtern aufgenommen hat. Die Tante hat sich von ihrem Mann getrennt, der ihr so gut wie keine finanzielle Unterstützung für ihren Lebensunterhalt sowie den der Mädchen gegeben hat. Sie verarbeitet Soja und stellt Tofu her. Den verkauft sie an der Schule und auf der Straße. Sie geht damit von Haus zu Haus. Am Tag verdient sie so ungefähr 1.000,- CFA damit – das sind umgerechnet ungefähr 1,50 Euro. Sie bezahlt 6.000 CFA Miete im Monat – also umgerechnet knapp über 9 Euro. Dafür bewohnen Sie ein kleines Haus das aus einem kleinen gemauerten Raum mit Wellblechdach und einen Bambusverschlag davor besteht, wo sie kochen. (Das ist noch Luxus, gegenüber dem, was wir heute sonst noch zu sehen kriegen.) Alle Mädchen gehen in die Schule. Sie haben fast alle ihre Schulbücher. Schuluniform, das Essen in der Schule, Schreibzeug und Schulgebühren werden vom Patenschaftsgeld bezahlt.
Als nächstes gehen wir zu Reine. Ihre Schwestern sind alle zu Besuch gekommen. Gloria macht in diesem Jahr ihr Abitur. Sie ist 17 Jahre alt und 1,47m groß. Martine lernt Köchin an einer privaten Hotelfachschule. Clarisse geht in die 7. Klasse und Fortuné geht in die 5. Klasse. Auch hier werden die Schulgebühren vom Patenschaftsgeld bezahlt. Wir besuchen die Familien von Marie, von Marcel und von Elolo. Die Familie von Elolo hat früher schon in einem Slum in Lomé gelebt. Sie sind umgezogen und wohnen nun weiter außerhalb. Elolo wohnt hier allein mit der Mutter. Sie verdient ihren Lebensunterhalt mit Putzen und Wäsche waschen. Sie kann nicht sagen, wie viel sie verdient, das ist unterschiedlich. Nicht jeden Tag hat sie einen Auftrag. Es kann sein, dass sie mal nur 800 CFA oder auch mal 3.000 CFA mit einem Auftrag verdient. Sie bezahlt keine Miete für das Haus. Das hat sie selbst gebaut. Für das Grundstück bezahlt sie 3.000 CFA Miete im Monat, also knapp 4,60 Euro. Das Haus besteht aus einem Holzrahmen, den sie von einem Schreiner fertigen ließ. An den Holzrahmen wurden die Wände und das Dach aus Wellblech dran genagelt. Die Kappen der Nägel sind mit Kronkorken von Flaschen gegen die Korrosion geschützt. Das Haus steht immerhin auf einer Bodenplatte aus Beton bzw. Glattestrich. Die Familie neben an wohnt in einem zerschlissenen Verschlag aus Filz-Stoffbahnen, die an Sträucher gebunden sind. Elolo muß in diesem Jahr das Vorabitur schreiben. Er hat den spanischen Sprachzug gewählt. Wir fragen ihn, warum und er meint, diese Sprache gefällt ihm sehr.
Als wir ins Seemannsheim zurückgehen, müssen wir erst mal Duschen. Am Abend gehen wir ins Restaurant Altmünchen zum Abendessen.
Die Stimmung beim Personal im Seemannsheim ist sehr gedrückt. Einige Kollegen vom Service erzählen uns, dass die Verwaltung seit ungefähr sechs Monaten keine Gehälter mehr zahlt. Auch in Togo ist das eigentlich nicht zulässig. Da es aber kaum Job’s gibt, haben die Menschen wenig Alternativen. Inzwischen wissen einige nicht, wie sie das Schulgeld ihrer Kinder bezahlen und ihren Lebensunterhalt bestreiten sollen.
Heute ist ein etwas ruhigerer Tag. Wir frühstücken um 8 Uhr. Bei den Patenschaftsbesuchen haben wir gestern frische Früchte geschenkt bekommen. Die darf man nicht ablehnen. Wir bekommen die Früchte zum Frühstück zubereitet. Danach sprechen wir die Patenschaftsbesuche durch. Gegen Mittag kommen Michael, Kai und Joachim aus Kpalimé zurück und wir essen gemeinsam zu Mittag.
In Kpalimé wurde heute vor der Abreise nochmal alles durchgecheckt. Die Instrumente wurden zum Schutz vor Staub abgedeckt. Für die Instrumente wird noch ein Schrank gebaut. Sie werden im Büro des Leiters von AGERTO zwischengelagert.
Nach dem Mittagessen fahren Uschi, Klaus, Seli und Silvia zum Handwerkszentrum in der Stadt um für den Weihnachtsmarkt einzukaufen. Es gibt Schnitzereien, Batikarbeiten, Kunstkarten, usw.
Am Abend essen wir gemeinsam im Restaurant Alt München. Im Palmengarten ist eine Pizzeria mit Holzofen eingerichtet.
Unsere Koffer sind gepackt, wir frühstücken kurz und bezahlen dann unser Zimmer. An der Rezeption erfahren wir, dass derzeit ein Verwalter im Seemannsheim fehlt, dass es eine hohe Steuerschuld von über 80 Mio CFA gibt und dass man derzeit nur Wasser und Strom bezahlen kann. Früher, als das Seemannsheim noch unter der Leitung der Bremer Mission gestanden hatte, hatte es einen sozialen Status und war daher steuerbefreit.
Wir brechen gegen 9:30 Uhr nach Notsé auf. Notsé ist in zweifacher Hinsicht eine Hauptstadt in Togo – einmal die Hauptstadt des Ewe Volkes und einmal die Hauptstadt der Ananas. Unterwegs
passieren wir Tsevie.
Die Straße geht schnurgerade vorbei an Teak-Plantagen, Ölpalmen, Maisfeldern und dazwischen immer wieder kleine Dörfer mit Lehmhütten.
Wir sind im Hotel Le Berceau bei Notsé und laden dort erst mal unsere Koffer aus. Danach fahren wir nach Akpakpakpe weiter. Einige Kilometer nördlich von Notsé verlassen wir die Teerstraße und fahren 12 km auf der Piste durch die Buschregion. Links und rechts gibt es immer wieder Reis-, Hirse und Baumwollfelder. Außerdem werden Sesam und Bohnen angebaut. In Akpakpakpe werden wir sehr herzlich empfangen und dürfen erst mal Mittagessen. Es gibt Spaghetti, Kolliko (frittierten Yams), würzige Tomatenpaste und frittierte Ziege. Der Prefekt ist leider nicht gekommen. Im letzten Jahr wollte er ja Geld dafür kriegen, dass er kommt. In diesem Jahr war er leider zu beschäftigt. Der neu gewählte Bürgermeister ist jedoch gekommen und viele Notablen aus den umliegenden Gemeinden sind da. Wir treffen Joachim Milz von der Handwerkskammer zu Köln in Akpakpakpe.
Nach den Reden der Honoratioren und einer Ansprache einer Studentin in Deutscher Sprache werden den Absolventen die Abschluss-Diplome überreicht. Der Bürgermeister betont, wie wichtig die Handwerksausbildung in Gemeinden wie Akpakpakpe ist, wo es bisher nur normale Schulen für die Ausbildung der Jugendlichen gab. Die Alternativen waren danach die Bewerbung der Armee, das Gebiet verlassen um zu studieren, oder die Arbeit auf dem Feld. Nicht jeder Schüler kann die Schule bis zum Abitur durchlaufen. Die Handwerksausbilung ermöglicht solchen Schülern, einen Beruf zu erlernen und finanziell unabhängig zu werden. Die drei besten Absolventen erhalten eine Prämie für gute Leistungen, die eine offizielle Stelle in Deutschland über Togo-Hilfe e.V. dafür bereitstellt. Danach werden die einzelnen Lehrkräfte des Ausbildungszentrums aufgerufen und erhalten eine kleine finanzielle Motivation für ihre Arbeit. Da AGERTO nur über Spenden von verschiedenen Vereinen lebt, erhalten die Lehrer ein selbst für togoische Verhältnisse sehr niedriges Gehalt.
Anschließend werden das neue Ausbildungsgebäude, das Lager und die Räumlichkeiten für die Übernachtung der Lehrlinge eingeweiht. Die Gebäude hat Togo-Hilfe e.V. über Spenden finanziert. Das große Ausbildungsgebäude wurde über eine gespendete Erbschaft finanziert. Es war dringend notwendig, denn in einigen Berufen, wie z.B. Schreiner, wurde unter freiem Himmel bzw. unter den Bäumen ausgebildet. Zwischen den Programmpunkten treten verschiedene Tanzgruppen in bunten Kostümen auf.
Gegen 16 Uhr brechen Kai und Joachim in Richtung Lomé auf. Kai fliegt heute Abend nach Deutschland zurück. Wir kehren nach den Feierlichkeiten ins Hotel Le Berceau zurück und Essen zu Abend. Für das Ausbildungszentrum AGERTO und für Togo-Hilfe e.V. war dies ein wichtiger und erfolgreicher Tag.
Das Frühstück im Hotel Le Berceau war unkompliziert und einwandfrei. Zum Standard-Frühstück erhalten wir Ananas Saft und Ananas Marmelade. Nach dem Frühstück fahren wir mit dem Bus auf der Hauptstraße Richtung Norden. Zunächst fahren wir zum Bürgermeister nach Hause. Dann gehen wir ins neue Bürgermeisteramt. Der Amtssitz ist neu und noch nicht fertig möbliert. Das kommt daher, weil der Bereich Haho nach der ersten Bürgermeisterwahl seit 30 Jahren diesen Sommer in 4 Kommunen aufgeteilt wurde. Vor dieser Wahl gab es nur die Prefektur und eine Sondervertretung für die gesamte Prefektur, die eine Art gemeinsames Bürgermeisteramt darstellt. Noch nicht jeder kennt die Funktionen und Aufgabenverteilung in der neuen Struktur. Im Stadtrat der Gemeinde Haho3, in der wir uns hier befinden, gibt es 15 Mitglieder. Eine bestimmte Anzahl muß von der Opposition gestellt werden.
Der Bürgermeister äußert erneut den Wunsch nach einer Städtepartnerschaft. Wir sind jedoch eine Nichtregierungsorganisation und das gehört nicht zu unseren Vereinstätigkeiten. Der Bürgermeister
hat mitbekommen, dass Togo-Hilfe e.V. in Deutschland einen Augenprüfraum abgebaut und in Kpalimé wiederaufgebaut hat. Er teilt uns mit, dass das auch in Haho3 notwendig sei. Michael regt an, dass
der Bürgermeister dafür sorgen soll, die schlimmsten Stellen der Piste nach Akpakpakpe reparieren zu lassen. Messan erinnert den Bürgermeister an das Versprechen, dass er zwei Solarlampen für
Akpakpakpe und zwei für das Centre AGERTO installieren sollte. Der Bürgermeister ist Solar Techniker. Nach dem gegenseitigen Abtasten steigen wir alle wieder in die Autos ein. Der Bürgermeister
und Messan fahren voran, Salifou, unserer Fahrer mit dem Bus hinterher.
Nach einiger Zeit biegen wir rechts ab auf eine Piste in den Busch. Wir überqueren die alten Eisenbahnschienen aus der Deutschen Kolonialzeit und passieren einige Dörfer. Den Bus müssen wir irgendwann stehenlassen. Michael und Uschi steigen ins Auto vom Bürgermeister um. Klaus und Silvia steigen in Messans Auto ein. Und weiter geht es durch den Busch – die Straßen sind eigentlich nur Fußpfade. Irgendwann müssen wir aussteigen. Auf einem Feld stehen einige Ruinen. Inzwischen sind nach und nach immer mehr Leute aus den umliegenden Dörfern hier hergekommen und schauen zu. Jeder steuert seinen Teil zu der Geschichte bei. Einst lebte hier der frühere Deutsche Leiter des Granitsteinbruchs ganz in der Nähe. Seinen Namen haben wir leider nicht erfahren. Der Ort heißt Kablikpe (Übersetzt, Stein der Schimpansen. Der Überlieferung nach wurde die Frau des Steinbruch-Leiters bei dessen Abwesenheit von Löwen gefressen. Der Stellvertreter war Moba aus Dapaong. Seine Frau hatte ihre Zwillinge auf einen Stein beim Fluß gesetzt. Diese sind von einem Krokodil gefressen worden. Das soll sich um 1902 zugetragen haben. An den Ruinen der Häuser vorbei laufen wir weiter in den Busch. Inzwischen sind wir wohl über dreißig Personen, die im Gänsemarsch einer hinter dem anderen den Pfad entlang laufen. Nach einer Weile gelangen wir zu einem kleinen Wald. Hier gibt es eine Senke mit Mauerwerk und einem riesigen rostigen Metall Mahlwerk für die Granit Zerkleinerung. Wir staunen, mit welchen Mitteln man das hierher gebracht hat. Ungefähr 140m von hier verlief die alte Eisenbahnlinie Lomé-Blitta.
Nach der Besichtigung der Anlage fahren wir nach Akpakpakpe. Dort essen wir zu Mittag und unterhalten uns über den Ausbildungsbetrieb. Für Interessierte wird eine Art Schnuppekurs angeboten. Der
geht einen Monat und man kann sich verschiedene Berufe anschauen. Erst nach einem Monat muss man sich für einen Beruf entscheiden und dann wird ein Vertrag abgeschlossen. Messan meint, die
Smartphones, die ihm immer wieder mal Leute aus Europa für seine Lehrlinge mitbringen, gehen so schnell kaputt. Wir zeigen ihm die Handy-Socke von Klaus. Man kann ein Smartphone mit ganz
einfachen Mitteln, die z.B. ein Schneider von AGERTO herstellen kann, vor Beschädigung schützen.
Nachdem wir viele Gespräche im Ausbildungsbetrieb geführt haben, geht es am frühen Abend wieder zurück zum Hotel Le Berceau.
Nach dem Frühstück fahren wir nach Norden. Bei uns im Bus sind nun Messan, Ama Martine und Yvette mit dabei. Ama Martine ist Lehrling bei AGERTO in Akpakpakpe. Sie hat in diesem Jahr mit der Ausbildung als Schneiderin angefangen. Ama Martine gehört zum Volksstamm Akposso, das ist nur eine von ungefähr 42 Ethnien, die in Togo leben. Yvette ist Absolventin als Schneiderin und hat am Vortag ihr Diplom erhalten. Yvette gehört zum Volksstamm Adja und kommt aus Benin. Dort konnte sie keine Ausbildung als Schneiderin machen. Untereinander sprechen die Mädchen die Sprache Ewe. Wir passieren Notsé und fahren in ca. 1 Stunde nach Atakpamé. Die Stadt ist so lebhaft, wie wir sie in Erinnerung haben. Wir fahren durch den riesigen Markt und sehen einen großen Schwarm Flughunde über einem der Stadtviertel.
In Atakpamé besuchen wir unser Patenkind Julie. Sie ist Halbwaise und leidet an Sichelzellenanämie, einer Blutkrankheit, die in Westafrika ziemlich verbreitet ist. Hin- und wieder hat sie eine Krise und muss im Krankenhaus behandelt werden. Sie ist erst am Montag aus dem Krankenhaus gekommen und hat immer noch Fieberschübe. Juli geht in die 12. Klasse und macht nächstes Jahr ihr Vorabitur. Sie hat nicht alle Schulbücher – ein Physikbuch und ein Englischbuch muß sie noch kaufen. Am Gymnasium kann sie zwischen zwei Sprachen wählen – Deutsch und Spanisch. Sie hat sich für Deutsch entschieden. Von ihrer Patin in Deutschland bekommt sie einen Brief und ein Päckchen. Von Togo-Hilfe gibt es ein Buch und ein Schulheft. Wir sprechen über die Schule und das familiäre Umfeld und werden mit Obst und gerösteten Erdnüssen bewirtet.
Danach fahren wir weiter nach Sokodé. Im AGERTO Ausbildungszentrum in Kemeni machen wir einen kurzen Besuch und besprechen mit dem Koordinator das notwendigste über den Lehrbetrieb. Der Nähmaschinen-Techniker von AGERTO Kpalimé muß dringend nach Kemeni geschickt werden, um einige Reparaturen durchzuführen. Die Lehrlinge arbeiten an einigen Auftragsarbeiten in der Schneiderwerkstatt.
Am Abend essen wir gemeinsam im Hotel Central in Sokodé. Im Hotel Central muß man viel Zeit mitbringen, wenn man zu Abend essen möchte. Es sind viele Servicekräfte da, aber die Bedienung der
Gäste scheint nicht wirklich ihre Aufgabe zu sein. Die Addition der verschiedenen Rechnungsbelege muss der Gast heute Abend selbst durchführen.
Wir brechen nach dem Frühstück gemeinsam von Sokodé auf und fahren Richtung Süden. Das Frühstück im Hotel Central besteht aus Kaffee und Milch, aus Baguette, Butter und Erdbeermarmelade (definitiv Import-Ware) und dazu kriegen wir eine große Platte mit Papaya-Scheiben und Limetten. Das Omelette, dass man uns unbedingt aufdrängen möchte, lehnen wir dankend ab. Die Zimmer sind einfach, aber ok. Sie haben neue Fernseher in den Zimmern installiert und die Mückengitter sind ohne Löcher. Auf der einen Seite gibt es inzwischen geschlossene Scheiben. In den meisten Hotels sind das hier in Togo nur Lamellen aus Glas. Kakerlaken sehen wir diesmal keine – aber – in Togo gibt es nach unserer Erfahrung keine Garantie für 100%-Kakerlaken-freie Zimmer. Der Ablauf des Waschbeckens läuft durch die Duschwanne durch. Wenn man in der Duschwanne steht, und Wasser ins Waschbecken laufen lässt, kriegt man nasse Füße… Da der Platz zwischen Waschbecken und Duschwanne kaum zum Stehen reicht, hat man kaum eine andere Wahl.
Heute soll es nach Kpalimé gehen. Die Koffer sind im Bus. Wir fahren los. In Atakpamé machen wir kurze Pause beim Hotel Le Sahelien. Danach fahren wir weiter durch die Stadt und den großen Markt.
Auf der anderen Seite treffen wir Julie. Sie hat ihre fehlenden Schulbücher gekauft und zeigt uns die Quittung und die Bücher. An der Tankstelle vor dem Ortsausgang verlassen uns Martine, Yvette
und Messan. Aimé fragt die Mädchen, was ihnen denn gefallen hat. Sie waren beide noch nie soweit im Norden. Die Landschaft – vor allem die Berge – das fanden beide toll – und sie haben auch
angeschaut, was wo angebaut wird. Z.B. wird im Norden sehr viel mehr Hirse angebaut, wie in der Region, in der sie derzeit leben. Das Mittagessen findet während der Fahrt statt – Bananen haben
wir genügend im Bus und eine Flasche mit gerösteten Erdnüssen gibt es auch. Das ist eine togoische Spezialität – geröstete Erdnüsse werden hier auf den Märkten in alten Absinth-oder Whiskey
Glas-Flaschen verkauft.
Die Straße zweigt in Atakpamé in Richtung Süd-Westen ab. Wir fahren über die vor zwei Jahren gerichtete Straße mit neuem Asphalt über Amlamé und Adeta nach Kpalimé – entlang am Gebirgszug der Atakora Berge. Unterwegs halten wir für einen kurzen Foto-Stop beim Wasserturm der Krankenstation von Kpele-Goudévé. Den hatte vor einigen Jahren Togo-Hilfe über Spenden aus Deutschland finanziert und AGERTO hat ihn gebaut. Es ist immer wieder toll zu sehen, dass Einrichtungen, die mit Spendengeldern finanziert werden, auch viele Jahre später noch in Betrieb sind. In diesem Fall war es sehr wichtig, die Krankenstation durch den Wasserturm mit fließend Wasser zu versorgen. Frauen, die in die Krankenstation kamen, um ein Kind zu bekommen, mussten bis dahin selbst einen Eimer Wasser mitbringen.
In Kpalimé fahren wir zunächst zu AGERTO und schauen uns den Betrieb in den Lehrwerkstätten an. Das ist ein Überraschungsbesuch – wir wollen sehen, wie gut das Ausbildungszentrum AGERTO in Kpalimé funktioniert. Als wir kommen, arbeiten beide Nähmaschinen-Techniker intensiv an der Reparatur einiger Maschinen. Die Schneiderinnen stellen gerade ein Kleid im Rahmen einer Auftragsarbeit her. Die Schweißer arbeiten an einer stabilen Metall-Tür für ein Haus. Die Schreiner arbeiten an einem Bett und einer Holztür. Die Weberinnen arbeiten an einem großen Kinder-Trage-Tuch. Cobby und Samson erklären uns alles. Einige Auszubildende sind mit ihren Meistern unterwegs.
Die Maurer und Elektriker befinden sich derzeit auf Baustellen. Der Maurermeister ist mit seinen 4 Lehrlingen im Nachbarort Wome, wegen einer Auftragsarbeit. Im Ausbildungszentrum wird gut
gearbeitet. Wir haben einen guten Eindruck bekommen.
Für den Augenprüfraum wurde im Ausbildungszentrum inzwischen ein Schrank fertiggestellt. Michael ist begeistert. Der Schrank wurde in den letzten Tagen exakt nach den von ihm angegebenen Maßen
angefertigt. Der Schreinermeister freut sich, als Michael sich bei ihm bedankt. Die anderen Einrichtungen wie Lager und Krankenstation wollen wir in den nächsten Tagen anschauen. Am Abend gehen
wir im Le Fermier in Kpalimé Pizza essen.
Nach dem Frühstück besprechen wir das Tagesprogramm durch. Wir fahren zuerst zu AGERTO und liefern Michael dort ab. Mit dem Aufbau und Einräumen des Augenprüfraumes ist noch viel zu tun. Dann fahren Uschi, Klaus, Silvia, Aimé und Salifou besuchen den Markt in Kpalimé. Der Markt hier ist bekannt für sein reiches Angebot an Obst und Gemüse. Es gibt Karotten, Auberginen, Tomaten, Zucchini, Okra, Gboma, Adémé (eine Art Spinat), Fontété (Amarant-Blätter), Jams, Maniok, Bananen, Papaya, Corosol (Stachelannone), und vieles mehr. Viele Sachen kennen wir gar nicht. Bei den Getreidearten gibt es einige, die wir nicht mal vom „hören-sagen“ kennen. Getreide, Bohnen und Erdnüsse werden in großen Schüsseln angeboten. Kleinere Schüsseln dienen als Maß. Es gibt unter anderem verschiedene Sorten von Bohnen – auch Sojabohnen – sowie Mais, Reis, Sorghum, Amarant, usw. Wir schauen uns auch Gewürze an, es gibt Paprika-Pulver (sehr scharf), 4 verschiedene Sorten Anis, verschiedene Arten von Ingwer, Pfeffer, Gewürznelken, grünes Pulver der Baobab-Frucht, usw.
Nach dem Rundgang über den Markt gehen wir bei einem Schnitzer vorbei. Er ist halbseitig gelähmt aufgrund eines früheren Schlaganfalls. Wir schauen uns in seinem Geschäft um, wir suchen kleine Schnitzereien für den Weihnachtsmarkt. Da wir gerade nicht finden, was wir suchen, bestellen wir einige kleine Elefanten bei ihm. Wir sind noch ein paar Tage da und können die am Montagnachmittag abholen.
Danach fahren wir zu AGERTO. In Messans Büro stehen noch Schachteln, die mit dem letzten Container gekommen sind. Die müssen gesichtet und ausgeräumt werden. Danach fahren wir ins Hotel zurück.
Am frühen Nachmittag fahren wir zu Mariama. Ihr Mann Alex ist auch zu Hause. Wir erfahren, dass er inzwischen als Volontär-Lehrer arbeitet. D.h. er arbeitet ohne Bezahlung und unterrichtet an
einer Grundschule. In seiner Klasse hat er 27 Schüler. Er hofft auf den Bewerbungs-Wettbewerb, den die Regierung im nächsten halben Jahr ausschreiben soll – Volontäre sollen dort als
Lehramtsanwärter bevorzugt werden. Vielleicht erhält er dann einen Vertrag und eine bezahlte Stelle. Allerdings ist der Grundschullehrer in Togo sehr niedrig bezahlt. Seine Frau Mariama ist seit
vielen Jahren Grundschullehrerin. Ihre Nichte Anita ist Togo-Hilfe Patenkind. Sie schreibt in diesem Schuljahr ihr Vorabitur. Wir klären ab, dass sie alle notwendigen Schulbücher für dieses
Schuljahr hat. Als Wahlfach hat sie Deutsch gewählt und sie liest uns sehr gut einen Abschnitt aus ihrem Deutsch-Buch vor. Anita bekommt außer einer Lektüre und ein Schulheft, französische
Grammatik Bücher. Alex dankt uns für die Bücher. Er erklärt uns, dass Anita durch die Schulbücher privilegiert ist, denn die meisten Kinder haben keine Schulbücher. Er sagt, dass sogar sehr viele
Lehrer gar nicht über die Bücher für die Vorbereitung des Unterrichts verfügen.
Als wir ins Hotel zurückkommen, treffen wir Messan. Wir besprechen mit ihm einige Themen zur Entwicklung von AGERTO. Wo ist Handlungsbedarf, wo liegen Schwerpunkte, was muß ausgebaut werden und was kostet wieviel? Am Abend sind wir bei Thomas eingeladen. Er hat für uns gekocht. Zunächst gibt es eine leckere Gemüse-Suppe mit Linsen. Danach Spaghetti mit Tomatensoße, Zwiebeln und Wagashi Käse, einer Spezialität aus Nord-Togo. Thomas und sein Freund Vince spielen Gitarre für uns - ein wunderschöner Abend.
Heute besuchen wir Patenschaften vom Verein Zukunftschance e.V. Wir sollen Eric, Sadate, Raimond und Pasqualine besuchen. Hyacinthe, der Koordinator von Zukunftschance e.V. begleitet uns. Wir fahren gemeinsam mit einem Taxi von Familie zu Familie. Bei Eric starten wir. Die Familie lebt auf einem Bauernhof am Rande von Kusuntu. Seine Mutter ist vor vielen Jahren bei der Geburt seiner kleinen Schwester Amen gestorben. Die Schwester der Mutter hat die Kinder zu sich genommen. Ihr Mann ist inzwischen auch schwer krank. Er hatte einen Schlaganfall. Am Fuß hat er einen Verband und er liegt auf dem Sofa. Eric macht eine Lehre als Schreiner. Die kleine Schwester geht in die Grundschule. Erics Tante auch auch viele eigene Kinder. Uschi hat Französisch-Lesebücher dabei. Jedes Kind bekommt ein Lesebuch – alle gehen in die Schule. Silvias Schwester hat Kinderschuhe mitgegeben. Viele passen die Kindern hier, die entweder gar keine Schuhe oder nur Flipflops haben.
Mit dem Taxi fahren wir weiter zu Sadate. Er wohnt in Novissi Madjatom. Zu Sadate gibt es überraschende Neuigkeiten. Er ist mehrfach sitzengeblieben und deshalb anscheinend aus dem Zukunftschance Patenschaftsprogramm ausgeschieden. Er ist inzwischen zu seinem Vater nach Mauretanien gezogen. Der Besuch bei Raimond hingegen ist sehr positiv. Er hat zunächst eine Probezeit im Lehrberuf als Mechaniker absolviert. Das hat ihm aber nicht so gefallen. Er hat inzwischen eine Lehre als Maurer im dualen System begonnen. Er hat nun Theorie-Unterricht und Praxis. Auch die Herstellung der Baumaterialien gehört zum Unterricht. In der Schule hat er viel Geometrie und er zeigt uns seine Arbeitsutensilien und sein Schulheft. Wir sollen den Paten Stefan und seine Familie in Deutschland ganz herzlich grüßen.
Unser letzter Besuch gilt Pasqualine. Bei Pasqualine lebt Victoire. Sie ist auch Patenkind und hat inzwischen beide Eltern verloren. Pasqualine und Victoire gehen in die selbe Klasse. Sie sind
die ersten Patenkinder von Zukunftschance, die im kommenden Jahr Abitur machen. Das Vorabitur haben beide ganz gut bestanden. Die beiden begrüßen uns in deutscher Sprache. Aus den Kindern, die
wir seit vielen Jahren besuchen, sind zwei junge Damen geworden. Pasqualine möchte gerne nach dem Abitur Mode-Zeichnerin werden. Victoire hat noch keine klaren Vorstellungen und muss sich das
noch überlegen. Für die Paten in Deutschland gibt man uns viele herzliche Grüße auf den Weg – und eine Flasche geröstete Erdnüsse.
Wir kehren zum Hotel zurück. Den Rest des Nachmittags und den Abend verbringen wir in Freizeit und genießen ausnahmsweise mal den Hotel-Pool. Morgen haben wir wieder volles Programm.
Mit leichter Verspätung treffen wir bei AGERTO ein. Die Vorbereitungen des Festes zur Verleihung der Abschluss-Diplome sind in vollem Gange. Michael organisiert noch Installationsarbeiten an der Augenprüfstation. Endlich hat er die benötigten Inbus Schlüssel. Die Glühbirne passt, die Abdeckung der Lampe kann montiert werden. Der große neue Schrank ist fast fertig eingeräumt.
Zum ersten Mal seit vielen Jahren ist bei der Verleihung der Diplome bei AGERTO kein Vertreter der Deutschen Botschaft dabei –nicht mal der aktuelle Kulturattaché – obwohl die Einladung schriftlich über das Auswärtige Amt sowie per Mail erfolgt ist. Nur die GIZ ist vertreten. Das Fest beginnt mit dem hissen der deutschen und togoischen Flagge und mit dem Singen der beiden Hymnen. Ein Pfarrer spricht ein gemeinsames Gebet. Der Leiter des Centre AGERTO, der Leiter von Togo-Hilfe e.V. und der Vertreter der GIZ halten ihre Ansprachen. Von togoischer Seite ist weder der Präfekt noch der neu gewählte Bürgermeister da. Der traditionelle Chef des Viertels hält eine Rede lässt den Präfekt und den Bürgermeister aufgrund des vollen Terminkalenders entschuldigen. In diesem Jahr sind es 10 Absolventen, die ihre Diplome erhalten, darunter zwei Nähmaschinentechniker sowie Schreiner, Schneiderinnen, Schweißer und Weber. Nach der Verleihung der Diplome erhalten die drei besten Absolventen ihre Prämien und Urkunden. Danach erhalten die Lehrer ihre Motivation – eine kleine finanzielle Anerkennung für ihre Leistungen. Für uns wurde ein leckeres Essen gekocht. Es gibt Ablo – kleine gekochte Kuchen – sowie Erdnüsse und kleine Biskuits. Außerdem gibt es Reis mit Fischsoße oder Fleischsoße – beides nur leicht gewürzt und sehr schmackhaft.
Nach dem Fest bei AGERTO besuchen wir die Gehörlosen Schule. In Togo gibt es ungefähr 5 solcher Einrichtungen. Die Gehörlosen Schule in Kpalimé hat 46 Kinder, das jüngste ist 6 Jahre, das älteste ist 16 Jahre. Unterrichtet wird in drei Klassenzimmern – immer jeweils zwei Klassen zusammen. Die Kinder lernen Gebärdensprache, Lesen, Rechnen und Schreiben und können am Ende hier den normalen Grundschulabschluss machen. Es gibt eine Kooperation mit einer Realschule in der Nähe, wo die Kinder dann nach dem Grundschulabschluss hin wechseln können. Kinder, die nach dem Grundschulabschluss nicht mehr weiter zur Schule gehen, können seit zwei Jahren eine Lehre zur Schneiderin bei AGERTO absolvieren. Togo-Hilfe e.V. Rheinbach hat kürzlich über Spendengelder aus Deutschland den Stromanschluss für die Gehörlosen Schule finanziert. Im Büro des Direktors und in den Klassenzimmern gibt es nun elektrisches Licht. Der Direktor erklärt uns, das nächste was man nun in Angriff nehmen muss, ist das Verputzen und Streichen der Gebäude, die seit dem Bau vor vielen Jahren noch immer im Rohbau dastehen.
Um 9 Uhr geht es los zu AGERTO. Samson, der Sohn von Messan ist da und Cobby, der Koordinator ist auch da. In Kpalimé ist das größte Centre AGERTO mit den meisten Berufen. Auf vielen Gebäuden sind die Namen der Sponsoren aufgemalt. Auf einem der Gebäude steht zum Beispiel die Kirchengemeinde Esslingen-Wäldenbronn, die die Gehälter von Lehrern finanziert. Die Firma Cronimet hat ihren Sitz in Karlsruhe und arbeitet weltweit im Bereich Metallveredelung. Dieses Unternehmen finden wir ebenfalls auf einem der Lehrgebäude. Wir begeben uns zum Gebäude mit dem Computerraum und dem Büro des Centre, in dem inzwischen auch die Augenprüfstation aufgebaut ist. Das Gebäude mit dem Computerraum wurde einst von Alpine-Energie mitfinanziert. Das Unternehmen heißt heute EQOS Energie. Die Mauspads im Computerraum tragen noch das LOGO vom früheren Unternehmen. Zunächst werden die verschiedenen Augenprüfgeräte ausgepackt und an den Strom angeschlossen. Die Geräte sowie Tische und Stühle werden so arrangiert, dass der Optikermeister Michael sich optimal zwischen den Messgeräten bewegen kann.
Uschi wird in das Ausfüllen der Formulare eingewiesen. Nur wenn die richtigen Werte korrekt notiert wurden, kann man damit hinterher die individuell angepassten Brillen anfertigen. Heute haben wir fast 34 Grad im Schatten – auch hier im Gebäude – außen in der prallen Sonne ist es noch viel heißer. Die Luftfeuchtigkeit ist bei 80-85%. Die Ventilatoren laufen auf kleiner Geschwindigkeit – zu viel Luftwirbel können wir nicht gebrauchen.
Als erstes prüft Michael die Funktionen der Geräte mit Aimé. Er kennt die Werte seiner Augen und kann damit prüfen, dass die Geräte nicht unter dem Transport und den abenteuerlichen Bedingungen hier gelitten haben. Als nächstes prüft Michael bei Reine. Sie war Patenkind von Togo-Hilfe, hat nun ihr Studium abgeschlossen und Michael hatte schon vor einigen Jahren die Augenprüfung bei ihr gemacht. Ihre Brille ist zerbrochen und sie war zum Messen im Krankenhaus in Lomé. Die Mess-Ergebnisse vom Krankenhaus hat sie uns vor der Reise per Email geschickt. Michael vergleicht diese nun mit, dem was er misst und die Werte passen überhaupt nicht. Was er nun misst, ähnelt den Werten ihrer letzten Brille, die er vor einigen Jahren für sie angefertigt hatte. Er erklärt, dass sie die Brille immer tragen muss, sonst kriegt sie Kopfschmerzen. Damit die richtigen Mess-Ergebnisse rauskommen, müssen die Füße ordentlich auf dem Boden stehen. Michael erklärt, dass es Verbindungen zwischen den Nerven in den Füßen und im Kopf gibt und die Messergebnisse nicht optimal sind, wenn die Füße frei runterhängen oder gar übereinander geschlagen sind. Reine ist sehr klein. Sie braucht ein Provisorium unter die Füße.
Das Team spielt sich langsam ein. Aimé notiert mit den Personen, die zur Augenprüfung kommen, die Namen auf den Rezept-Scheinen. Für uns sind die hiesigen Namen sehr schwer verständlich. Wichtig ist, dass das Alter erfasst wird, damit der Optiker einschätzen kann, ob die Sicht in der Nähe bereits altersbedingt beeinflusst sein könnte. Michael macht eine elektronische Vorprüfung und diktiert Uschi die Werte. Die Leute kriegen ihren Zettel in die Hand gedrückt und werden gebeten, zu warten. Ziel ist es, dass nur die Augen der Lehrer und Mitarbeiter von AGERTO geprüft werden. Michael möchte den lokal ansässigen Optikern keine Konkurrenz machen. Einer nach dem anderen kommt nun vorbei – der Schweißermeister, die beiden Schneidermeisterinnen, die Webermeisterin und am Ende die Schneidermeisterin der gehörlosen Lehrlinge.
Die Schneidermeisterin der gehörlosen Lehrlinge heißt Vivianne und verständigt sich mit Gebärdensprache. Kira im Freiwilligen Dienst aus Deutschland, die derzeit bei AGERTO arbeitet, kann sich ebenfalls sehr gut in Gebärdensprache verständigen und übersetzt für Michael. Vivianne kann das Alphabet – sie ließt die ersten Buchstaben vor - K – C – D – T – indem Sie mit der rechten Hand jeweils das Zeichen in der Gebärdensprache für den betreffenden Buchstaben macht. Kira schaut aufmerksam auf Viviannes Hände und buchstabiert laut für Michael. Recht schnell stellt sich heraus, dass Vivianne stark kurzsichtig ist. Augenprüfung auf togoisch: zwischendurch schaut eine Ziege durch die Tür in den Augenprüfraum rein. Manchmal schleicht eine Katze zwischen den Füßen hindurch.
Eine weitere Schneidermeisterin sitzt auf Michaels Stuhl. Auch sie soll die Buchstaben, die sie auf der Projektionstafel sieht, vorlesen. Das ist gar nicht so einfach. Sie kann nur Ewe, kein Französisch. Cobby hilft beim Übersetzen. Nach einer Weile stellt sich heraus, dass es deshalb Probleme beim Vorlesen der Buchstaben gibt, weil sie nicht alle Buchstaben kennt. Kein Problem – Michael schaltet das Projektionsgerät um. An der Wand stehen nun keine Buchstaben mehr, sondern es sind Symbole zu sehen – eine Blume, ein Hund, ein Fisch und eine Ente. Die Schneidermeisterin nennt nun flüssig, was sie sieht – wir verstehen flower, avu, akpavi, gbagb.
Silvia, Klaus und Reine werden um 13 Uhr vom Taxi abgeholt. In der Stadt treffen sie sich mit Hyacinthe und Eric aus Kusuntu, der die Schreinerlehre macht. Er benötigt verschiedene Werkzeuge für seine Ausbildung. Eine Raspel kostet 2.500 CFA, eine Brechstange kostet ebenfalls 2.500 CFA – umgerechnet 3,75 Euro, die Bohrmaschine kostet 18.500 CFA. Das Geschäft hat Handwerksgerät aller Art, Hämmer, Sägen, Nägel, Schauben, Beschläge und kleine Elektro-Handwerksgeräte. Wir kaufen verschiedene Geräte ein und lassen uns am Ende einen Rabatt geben – insgesamt bezahlen wir 24.000 CFA. Eric ist sehr schüchtern. Er bedankt sich und muss nun wieder zum Unterricht. Er wird im kommenden Sommer seine Ausbildung abschließen.
Heute fahren wir nach Lomé zurück. Die Koffer sind gepackt, unser Fahrer Salifou holt uns um halb zehn im Hotel ab. Auch heute sticht die Sonne wieder erbarmungslos. Unser Deo heißt „Nobite“ (tropisches Insektenspray). Unser Fahrer hat einen Lehrling bei sich. Aimé erklärt uns, dass man in Togo drei Jahre einen Fahrer begleiten kann und alles von ihm lernen kann. Am Ende macht man dann die Fahrprüfung und bekommt einen Führerschein. Leute, die Fahrer werden wollen, sich aber keine Fahrschule leisten können, machen das so. Der Lehrling ist vom Volk Kotokoli – wie unser Fahrer Salifou. Viele Kotokoli arbeiten in Togo als Fahrer. Er erzählt uns, dass seine Familie in einem Dorf in der Nähe von Sokodé lebt. Er spricht gut Französisch und erklärt, er hätte früher im Park Fazao Malfakassa gearbeitet. Wir fragen ihn, ob es war ist, dass es dort Elefanten gibt? Denn wir sind in früheren Jahren schon oft durch den Park gefahren und haben immer nur die Schilder am Straßenrand gesehen, die Fahrer davor warnen, dass hier Elefantenpfade kreuzen. Er meint, ja es gibt sehr zahlreiche Elefanten im Park. Einmal hatte er erlebt, wie man einen gefährlichen alten Elefanten-Bullen gejagt und getötet hat.
Während der Fahrt studieren wir Reiseführer und Straßenkarte. Reine begleitet uns. Sie war früher Patenkind von Togo-Hilfe und wir haben Sie mit auf die Reise nach Kpalimé eingeladen. Sie ist zum ersten Mal in Kpalimé. Wir passieren eine hügelige Landschaft. Einer der Berge ist der Mont Agou, der höchste Berg von Togo. In der Ferne sieht man die Berge von Ghana. Auf unserer Fahrt Richtung Lomé ein. Kekeli war auch ein Patenkind von Togo-Hilfe. Die ehemalige Patin schickt ihr einen Brief aus Deutschland. Die Patin ist inzwischen 97 Jahre alt.
Wir sind bei Kekeli zum Mittagessen eingeladen. Es gibt als Vorspeise Kartoffel-Gemüse-Salat mit Weißbrot, als Hauptspeise Couscous mit Rindfleisch und würziger Soße und als Nachspeise Ananas in Piroge geschnitten. Dazu gibt es einen Nescafe Espresso. Den angebotenen Schnaps lehnen wir dankend ab. Kekeli hat Hotelfach studiert und zeigt uns nun ihr Können. Das Essen ist schmackhaft und sehr gut. Damit wir Europäer das vertragen, muß es hygienisch einwandfrei zubereitet sein. Ihr Restaurant „la pluie du ciel“ hat sie vor drei Monaten eröffnet. Sie bietet Gerichte mit Spaghetti an, aber auch togoische Speisen mit Fufu. Eine Portion Spaghetti kostet ungefähr 500 CFA (75 Cent). Sie verdient ungefähr 35.000 CFA in der Woche. Heute ist ihre ganze Familie gekommen, der Vater, die Mutter, ihre älteste Schwester mit ihrer kleinen Tochter, der Onkel vom Papa und der kleine Sohn Emanuelle sind da.
Auf dem Weg zum Seemannsheim schauen wir uns ein paar andere Hotels an. Hinter dem Hafen liegt das Hotel New Robinson Plage mit einer sehr schönen Anlage, Restaurant am Strand und hübschen Zimmern, die in Bungalows untergebracht sind. Die Preise sind moderat. Gleich im Anschluss ist das Hotel Coco Beach. Dort gibt es sogar einen kleinen Pool, die Zimmer sind aber etwas teurer und nicht so schön. Im Seemannsheim angekommen, gehen Uschi und Silvia erst mal zum Schwimmen. Vom Personal werden wir sehr herzlich empfangen. Am Abend holt uns Salifou und fährt uns in ein Restaurant in der Stadt.
Seit Juli gibt es einen neuen Deutschen Botschafter in Lomé, Matthias Veltin. Er hat in anderer Funktion vor vielen Jahren schon einmal in dieser Botschaft gearbeitet. Die allgemeine politische Situation ist schwierig. Im kommenden Frühjahr sollen Wahlen sein. Der bisherige Präsident möchte seine Amtszeit verlängern. Die Opposition ist instabil. Es wird erwartet, dass sich wenig ändert – die politische Frustration ist überall spürbar. Erst gestern gab es wieder eine Demonstration in der Hauptstadt Lomé. Wir hatten das auf der Reise anhand der verstärkten Polizeikontrollen mitbekommen. Auf der anderen Seite befindet sich das Land im Umbruch. Hier in der Hauptstadt erleben wir rasante Veränderungen durch den Ausbau der Infrastruktur. Die Stadt boomt und der Verkehr nimmt täglich zu. Der Botschafter erklärt, dass die kommunalen Strukturen in Togo komplett umgebaut wurden. Der Aufbau der neuen Strukturen ist noch voll im Gange. Bei Gesprächen mit Vertretern der GIZ in den vergangenen Jahren hatten wir immer wieder das Stichwort „Dezentralisierung der Verwaltung“ mitbekommen. Deutschland bzw. die Europäische Union arbeitet an diesem Thema intensiv mit – nicht nur in Togo, sondern auch in anderen Ländern. Was „Dezentralisierung der Verwaltung“ und „kommunale Selbstverwaltung“ bedeutet – hatten wir auf unserer Reise mitbekommen, als wir den vom Volk zum ersten Mal seit 30 Jahren neu gewählten Bürgermeister der Kommune Haho 3 kennengelernt haben.
Der Botschafter erklärt uns, die Bundesrepublik Deutschland hat durchaus ein Interesse daran, dass diese neuen Strukturen der kommunalen Selbstverwaltung hier funktionieren. Man begrüßt es, wenn Vertreter von kommunalen Verwaltungen in Deutschland zu einem Know-How- und Erfahrungsaustausch bereit sind. In Togo wurden nun 117 Kommunen eingerichtet. 600 Verwaltungsangestellte sollen dort eingesetzt werden – für ein Land wie Togo ist es durchaus eine Herausforderung, diese Stellen mit entsprechend ausgebildeten Personen zu besetzen. Denn viele dieser Kommunen befinden sich in der Buschregion bzw. im ländlichen Raum, wo es außer ein paar Grundschulen keinerlei Infrastruktur gibt. In ungefähr 20 Kommunen gab es keine klaren Mehrheitsverhältnisse – hier mussten Koalitionen zwischen der Regierungspartei und der Opposition gebildet werden. Auch die Ausstattung der Kommunen ist ein Thema, wie wir ja in der Gemeinde Haho 3 gesehen haben. Andernorts fehlen selbst noch die Gebäude dazu.
Nach dem Besuch in der Botschaft fahren wir nach Legbassito-Madjikpeto. Wir fahren nicht beim Chef vorbei – diesen Termin übernimmt diesmal Aimé für uns. Aus zeitlichen Gründen fahren wir direkt von der Botschaft zum Kindergarten – denn die Kinder sind nur bis 11 Uhr da und dann erst wieder ab 15 Uhr. Auf der Fahrt erfahren wir, dass der Kindergarten inzwischen 200 Kinder hat. Der Kindergarten ist inzwischen auf das neue Gelände hinter der Schule umgezogen – aber nicht alle Gruppen haben dort Platz. Eine Gruppe mit Vierjährigen treffen wir ein einem Anbau aus Strohwänden und Wellblech Dach neben einem der Schulgebäude. Im nächsten Jahr kommen sie in die erste Klasse. Die Kinder können hier schon mit 5 Jahren eingeschult werden. Sie absolvieren dann sechs Jahre Grundschule. Die Kinder begrüßen uns im Chor – sehr diszipliniert. Die Kindergärtnerinnen haben ein paar Lieder mit ihnen einstudiert. Auch bei den kleineren Gruppen schauen wir vorbei und werden herzlich begrüßt. Der Kindergarten hat vom französischen Ruderklub ein neues Gebäude spendiert bekommen. An Togo-Hilfe wurde ein Antrag zur Finanzierung der Kindergartenmöbel (kleine Tische und Stühle für die Kinder) gestellt – mit einem Umfang von 1.600 Euro. Heute erreicht uns die Nachricht, dass die Grafschafter Krautfabrik zum wiederholten Mal an Togo-Hilfe gespendet hat – diesmal ein Betrag in Höhe von 1.500 Euro. Damit kann Togo-Hilfe e.V. Rheinbach den Antrag für die Möbilierung des Kindergartens spontan freigeben. Die Finanzierung der Tische und Stühle für 200 Kinder im Kindergarten von Legbassito-Madjikpeto ist durch die Spende der Grafschafter Krautfabrik sichergestellt.
In der Schule hier werden inzwischen 1.200 Schüler in drei Zügen unterrichtet. Viele Klassen befinden sich in wellblech-gedeckten Strohhütten. Wir besuchen eine erste Klasse in einem der festen Gebäude – 101 kleine Gesichter schauen die weißen Gestalten mit großen Kulleraugen an, die da ins Klassenzimmer kommen. Teilweise zu dritt drängen sich die Schüler in den Bänken. Der Stapel Schulhefte, der vorne auf dem Lehrer-Tisch liegt, ist riesig. Wir gehen weiter in eine andere erste Klasse – in einer wellblech-gedeckten Strohhütte. Dort sitzen 82 Schüler bei 34 Grad im Schatten und begrüßen uns.
Nach der Besichtigung der Schule sind wir bei unserem Koordinator Aimé zum Essen eingeladen. Seine Frau Francoise hat für uns ein sehr gutes togoisches Essen gekocht – es gibt den sehr schmackhaften, togoischen Reis, Adema (eine Art togoischer Spinat) mit Tomaten und Erbsen, Pâte aus Maismehl gemischt mit Couscous und Erdnußsoße. Dazu gibt es Ananas-Saft oder Orangen-Saft – frisch gepresst – oder Wasser. Zum Nachtisch gibt es Obst – in einer großen Schüssel auf dem Tisch sind Papaya- und Mango-Stücke. Vor dem Essen wäscht man sich die Hände – dazu sind zwei Schüsseln aufgestellt – eine mit Seifenwasser und eine mit klarem Wasser. Am Stuhl hängen Handtücher zum Abtrocknen. Aimés Frau kocht nicht mit Holz oder Holzkohle, wie die meisten togoischen Frauen – sie hat bereits einen Gasherd.
Es ist so heiß, dass nicht nur wir Europäer ständig am Schwitzen sind. Teilweise sind die Hände so nass, dass man kaum einen Stift halten kann und das Papier unter der Hand zu feucht wird zum Schreiben. Nach dem Essen bei Aimé fahren wir ins Seemannsheim zurück. Im Seemannsheim kommt uns Reine besuchen, sie soll ihre Brille reparieren lassen. Für das Anfragen eines Angebotspreises war Reine bei 3 verschiedenen Optikern. Die angebotenen Preise für die Reparatur beider Gläser nach vorgegebenen Meßwerten variieren zwischen 45.000 CFA (68,70 Euro) und 85.000 CFA (129,77 Euro). In Deutschland kostet das für einfache mineralische Gläser ungefähr 83 Euro. Im Verhältnis zum dem hiesigen Lohn-Niveau erscheinen diese Preise unverhältnismäßig.
Unser Programm heute Vormittag startet mit dem Besuch von Suku yeye – das heißt neue Schule. Wir fahren über eine Stunde in das Viertel Sanguerra etwas am Rand von Lomé gelegen– die unbefestigten Pisten machen unserem Bus zu schaffen. Wir werden regelrecht durcheinander geworfen, obwohl unser Fahrer Salifou sehr vorsichtig und bedacht fährt. Heute morgen hat man schon erste Anzeichen vom Harmattan gesehen, dem heißen Staub-Wind aus der Sahara. Der Blick vom Seemannheim in Richtung Container Terminal war schon ziemlich eingetrübt.
Im Laufe des Tages nimmt die Hitze immer mehr zu – unerbittlich und gnadenlos sticht die Sonne heute. Als wir in der Schule Suku yeye ankommen, werden wir vom Direktor Tamakloe und Studienrat Lawson herzlich begrüßt. Wie überall bekommt jeder Ankommende erst mal eine kleine Flasche leicht gekühltes Wasser. Das ist so Sitte hier, wenn man Besuch bekommt. Die Schule Suku yeye ist ein Projekt eines togoischen Bekannten der in Würzburg lebt und mit dem Leiter von AGERTO befreundet ist – Valentin Nyaho. Aktuell haben sie hier ungefähr 140 Kinder. Sie haben einen Kindergarten und eine Grundschule. Es gibt zwei Kindergärtnerinnen und 6 Grundschullehrer – davon sind 4 Frauen. Die Schule erhält keine staatliche Unterstützung. Es ist eine private Schule. Im Kindergarten beträgt das Schulgeld 27.000 CFA jährlich und in der Grundschule 25.000 CFA – das sind ungefähr 38 Euro im Jahr. Die meisten Kosten trägt Valentin Nyaho selbst. Die Schule ist gut ausgestattet, es gibt elektrischen Strom und sogar einen Computerraum. Eine Kantine gibt es auch. Die Schüler sind sehr diszipliniert. Wir gehen durch alle Klassen – was natürlich eine Menge Unruhe verbreitet – aber das ist ja immer so, wenn eine Gruppe neugieriger Weißer (die werden hier Jovos genannt) durch eine Schule mit lauter schwarzen Kindern läuft. Interessant ist, dass die Schule Alphabetisierungskurse anbietet – sie haben da derzeit ungefähr 30 Erwachsene, das ist dreimal pro Woche ab 18 Uhr am Abend. Von den 30 Erwachsenen im Alphabetisierungskurs haben 20 noch nie eine Schule besucht. Die anderen 10 wollen ihren Grundschulabschluss nachholen. Die Unterrichtseinheit kostet 250 CFA – das sind nicht ganz 40 Cent pro Abend. Für den Kindergarten haben Sie zwar Tische und Stühle – aber nicht für die ganz kleinen Kinder. Togo-Hilfe lässt eine Spende für die Anschaffung von kleinen Tischchen und Stühlchen sowie Spielgeräten da.
Unser nächster Termin führt uns zum COA – das ist das "centre omnitherapeutique africaine". Hier beschäftigt man sich mit der Verbindung der traditionellen Medizin mit der modernen Medizin. Dies wurde bei einem speziellen Thementag in Lomé im August diesen Jahres seitens der WHO in den Mittelpunkt gestellt – im Rahmen der Überlegungen zur Integration der traditionellen Medizin in das Medizinstudium und in die Lehre. Außerdem machen Sie zusammen mit einem Togo Verein aus Augsburg ein Diabetes Projekt, wo sie derzeit ein Handbuch entwickeln. Insbesondere Diabetes II ist ein Thema das sich in Togo derzeit explosionsartig verbreitet. Das COA hat derzeit 33 feste Dozenten und 41 Studenten.
Danach geht es weiter zum Goethe Institut. Wir besprechen mit Anik Köhne ihr aktuellstes Projekt – PASCH - Schulpartnerschaften zwischen deutschen und togoischen Schulen. Anik fragt, an welchen Schulen Togo-Hilfe derzeit aktiv ist, die unter anderem Deutsch lehren. Wir sprechen über die Nachtigal-Schule in Kpalimé, die schon in der Grundschule Deutsch-Unterricht anbietet. Diese Schule wird vom städtischen Gymnasium in Rheinbach und vom Hartberg Gymnasium in Bonn unterstützt. Diese Schule kennt sie noch nicht. Außerdem sprechen wir über eine mögliche Unterstützung des Goethe Instituts zur Finanzierung von mehr Sendezeit für L’allemand par la radio. Anik will die Möglichkeiten prüfen. Denn derartige Finanzierungen fällt eingentlich nicht unter die Projektarbeit von Togo-Hilfe e.V. – allerdings ist das Engagement der Studenten unbedingt förderungswürdig.
Unsere letzten Stunden vor dem Abflug verbringen wir mit einem leckeren Mittagessen im Hotel New Robinson Plage am Strand. Dann geht es zurück zum Seemannsheim. Michael hat noch Termine – er fliegt erst morgen zurück. Uschi, Klaus und Silvia packen und brechen gegen 19 Uhr mit Salifou und Aimé zum Flughafen auf.
Uschi, Klaus und Silvia sind pünktlich kurz vor Mitternacht in Lomé abgeflogen. Reine Non-Stopp Flüge nah Mitteleuropa gibt es wenig. Die dauern so um die 6 ½ Stunden – es sind über 5.000 km. Die Rückreise zieht sich schier endlos. Der Pass und die Papiere werden zig-fach kontrolliert. Mehrfach wird man befragt, ob man denn auch derjenige ist, der im Pass abgebildet ist. Das Gepäck wird vor dem Abflug an drei verschiedenen Stellen durchleuchtet bzw. durchsucht. Schicke Geschäfte haben sie nun im Duty-free Bereich im neuen Flughafen eingebaut. Und viele funktionierende Toiletten – für die man keine togoischen Münzen vorrätig haben muß. Das ist wirklich ein Luxus, den wir sehr gerne genießen. Die Hitze machte uns beim Packen besonders zu schaffen.
Nach dem pünktlichen Start des Flugzeugs werden wir diesmal nicht mit dem laut WHO Angaben völlig für den Menschen unschädlichen Insektenvernichtungsmittel besprüht, wie das früher bei Air France regelmäßig vor dem Abflug praktiziert wurde. Der Flug geht erst Mal aufs Meer raus, um dann im großen Bogen über Lomé Richtung Norden zu schwenken. Unter uns sehen wir die beleuchteten Containerschiffe, die in Konvois vor dem Hafen von Lomé – zeitweise dem einzigen funktionierenden Tiefseehafen in Westafrika – vor Anker liegen – um einerseits die Liegegebühr im Hafen zu sparen – und um andererseits entlang den wenigen Kilometern der Togoischen Küste vor Raubüberfällen und Piraten geschützt zu sein. Nachdem die Lichter der boomenden Hauptstadt in der Ferne verschwinden, wird es dunkel – und zwar richtig Nacht. Denn Sachen wie Elektrizität sind im Hinterland von Togo bisher nur in die wenigsten Dörfer vorgedrungen.
Nach dem Erreichen einer gewissen Flughöhe erhalten wir unser Abendessen – entweder Hühnchen mit Reis, Bohnen (die waren irgendwie unsichtbar) und Erdnuss-Soße oder Tilapia mit Spaghetti und Gemüse. Danach wird bei Air France das Licht abgeschaltet – wer kann, schläft oder zieht sich das Bordprogramm rein. Kurz nach fünf werden wir geweckt – d.h. das Licht an Bord wird eingeschaltet – Schokoladenkuchen mit Tee oder Kaffee wird verteilt. Dann landen wir früher als geplant in Paris. Kaum aus dem Flieger raus, erneute Sicherheitskontrolle – wäre ja nicht so, dass vor dem Einsteigen unser Gepäck schon dreimal kontrolliert wurde. Richtig schräg ist das – und ab einem gewissen Punkt nervt es einfach nur. Der Weiterflug nach Stuttgart hat 1 ½ Stunden Verspätung. Im Warteraum am sehr beengten und provisorischen G2 Terminal gibt es nur völlig überteuerte Frühstücksmöglichkeiten – Klaus kauft zwei kleine Natur-Joghurts – für 5,40 Euro! Für den riesigen, total überfüllten Wartebereich gibt es nur wenigen Toiletten – gaaanz am anderen Ende. Die Zustände sind unbeschreiblich – der Flughafen in Lomé ist inzwischen echt Luxus, gegenüber dem, was man in Paris-Charles-de-Gaulle in manchen Terminals geboten kriegt. Dafür gibt es auf dem Flug nach Stuttgart noch ein Schoko-Plunder-Teilchen. In Stuttgart angekommen, haben wir unser Gepäck recht schnell bekommen. Uschi verabschiedet sich von Klaus und Silvia, hier trennen sich die Wege. Uschi muß in Richtung Karlsruhe, Klaus und Silvia Richtung Ulm – also genau in die entgegen gesetzte Richtung – mit den Worten: also bis in zwei Wochen zum Weihnachtsmarkt – geht eine erfolgreiche Togo-Reise zu Ende.