Ostermontag - Lomé
Meeresrauschen scheint gut für den Schlaf zu sein. Oder war es doch der Abtrunk an der Strandbar? Egal – wir haben gut genächtigt. Heute am Ostermontag steht der Besuch des Handwerkermarktes, des großen Marktes und der Patenkinder der Mitgereisten an. Aber zunächst eine Entschuldigung meinerseits für die in einem Punkt missverständliche Formulierung am 5. Tag. Natürlich wollte ich die Jungfrau Maria nicht mit der geschlachteten Kuh vergleichen. Ich hatte es in meiner lockeren Art leider schlecht ausgedrückt. Das war nicht meine Absicht. Der Zusammenhang war absolut nicht beabsichtigt.
Entschuldigung. Es ist korrigiert.
Wir verlassen den berüchtigten Stadtteil Katanga. Salifou, unser Fahrer, muss noch 11 Tage den Ramadan befolgen. Er macht dies sehr konsequent. Ein feiner Kerl! Michael lässt zwei der per Schiff von uns „eingeflogenen“ 5l-Fässchen Bitburger kalt stellen. Osterüberraschung für uns und die Hotelleitung! Wir fahren die Küstenstraße in Richtung Innenstadt. Es fällt auf, dass heute am Ostermontag deutlich weniger Verkehr auf der Straße ist, als sonst in der Woche. Der große Hafen von Lomé zieht kilometerlang an uns vorbei. Container über Container und Lastwagen über Lastwagen auf dem riesigen Gelände.
Auch im Handwerkermarkt Village Artisanal ist wenig los. Die kleinen Stände bieten noch selbst angefertigte Handwerkkunst an. Hier gibt es nicht die Importware aus China. Wir kaufen ein – beim Holzschnitzer, beim Weber, beim Maler, bei der Schneiderin und tun so ein gutes Werk. In einigen Hütten wird nicht nur verkauft, sondern auch gearbeitet. Interessant dem Holzschnitzer über die Schulter zu schauen.
Vom Handwerkermarkt geht es weiter zum Grand Marché – dem großen Markt von Lomé. Der eigentliche Markt ist vor Jahren abgebrannt. Am neuen mehrstöckigen Gebäude wird immer noch gebaut. Der Markt erstreckt sich über mehrere Straßen. Es ist ein bunter Markt auf dem es alles gibt. Wir lassen uns treiben und genießen den Anblick der Stände, aber auch das Tun der Verkäuferinnen und der Käufer. Die Frauen sind wieder wunderschön herausgeputzt. Es fällt auf, dass in Togo Wert auf saubere Kleidung gelegt wird. Gerade die Frauen machen sich bewusst hübsch. Es sind stolze Frauen!
Gleich neben dem Markt steht die Herz-Jesu-Kathedrale. Sie wurde 1901 von den Steyler Missionaren im neo-gotischem Stil in Anlehnung an die Kirche von Steyl in den Niederlanden binnen 18 Monaten errichtet. 1985 las Papst Johannes Paul II hier die Messe. In den 90er Jahren musste die Kathedrale wegen Einsturzgefahr gesperrt werden. Mit Spenden aus Deutschland wurde die Kirche 1996 aufwendig restauriert. Wir setzen uns in die Reihen und es kommt österliche Stimmung auf. Eine Kathedrale mit Orgel und Schlagzeug sieht man auch nicht oft. Auf dem Rückweg schauen wir uns das erste Hotel am Platz – das Sarakawa an. Der Name steht für die Stadt in der der damalige Präsident von Togo, Gnassingbé Eyadéma, einen Flugzeugabsturz überlebte. Was für ein krasser Unterschied zu dem wirklichen Leben in Togo. Sicherheitskontrolle bei der Einfahrt mit dem Bus. Betonsperren. Sicherheitspersonal. Detektoren wie am Flughafen. Aber dann sind wir drin. Luxus pur. Eine andere Welt. Die Anlage mit den Palmen, dem Pool und dem Strand hält mit jedem 5*-Hotel in Europa mit. Es ist das Domizil der Reichen. Was für ein Kontrast!
Zum Mittag sind wir wieder im Robinson Plage, wo wir uns deutlich wohler fühlen. Das Essen im Robinson Plage ist stets ein Gedicht. Eine tolle Küche. Den Einschlag der Bretagne, der Herkunft der Besitzerinnen, ist deutlich zu erkennen. Dezente Musik im Hintergrund – alles passt. Auch heute ist die Terrasse gut belegt. Der Feiertag lockt Gäste hierher. Es ist wie bei uns. Die Ultrareichen kommen mit deutlich jüngeren Frauen hierher, die natürlich aufgestylt sind und kleine Schoßhündchen auf dem Arm haben. Ein komischer Anblick. Influencerinnen in Togo!
Carola und Egon, sowie Jürgen und Philipp fahren mit Aimé ihre Patenkinder besuchen. Das erste Treffen mit den Patenkindern nach zum Teil schon 15 Jahren Unterstützung. Die innere Anspannung ist groß. Jürgen war auch wegen „Magengrummeln“ lieber nicht mit zu den Märkten mitgekommen. Derweil genießen wir anderen den Ostermontag am Strand. Es ist viel los vor dem Hafen. Containerschiffe fahren in den Hafen oder kommen heraus. Auch auf Reede liegen noch dutzende von Schiffe vor Anker. Aufgrund der Piraterie bleiben die Schiffe eng beieinander. Der Caipirinha schmeckt hier anders – man würde sagen „interessant“ – aber das hält uns nicht davon ab ihn auszutrinken. Joachim Milz ist mit seinen Kindern auch da. Er erzählt von seinen aktuellen Projekten mit dem Handwerk in Togo. Joachim Milz wird demnächst im Senegal arbeiten. Wir werden ihn aber noch nach Ostern treffen.
Jürgen, Carola, Egon und Philipp kommen von den Besuchen bei ihren Patenkindern zurück. Sie müssen erst einmal alles verarbeiten. Aimé hat sie super begleitet. Zunächst die Reifenpanne mit dem Bus. Salifou hat dann das Vorderrad gewechselt. Eine Reifenpanne pro Tour gehört dazu. Salifou hatte sich ja am ersten Tag schon einen Ersatzreifen aufs Dach gelegt. Er ahnte was! Philipp kommt zu uns. Seine ersten Worte – ohne ganze Sätze: „Wahnsinn, emotional, krass und doch super schön, völlig fertig, geheult, es war unglaublich, glücklich, spannend.“ Sein Patenkind Elolo („Gott ist Groß“), den er seit 13 Jahren unterstützt, wohnt „in der 3. Reihe“, d.h. in einer noch ärmeren Gegend Lomés als wir sie bisher gesehen haben. Elolo studiert Marketing und kommt ins 4. Semester und will später Togo vermarkten. Er erzählt. Auch von seinen 3 Schwestern. Aimé übersetzt. Tränen fließen. Es war so, wie Philipp es sich vorgestellt hatte, aber es ist trotzdem sehr emotional. Philipp hat den Menschen getroffen, den er sich nach 13 Jahren finanzieller Unterstützung und Begleitung durch die Togo-Hilfe genau so vorgestellt hat.
Das Bild was sich aus all den bisherigen Briefen ergeben hat, hat er vorgefunden.
Carola und Jürgen geht es genauso. Unbeschreibliche Emotionen als sie ihr Patenkind, das sie seit 2 Jahren unterstützen, sehen. Sie sind noch völlig geschafft. Es ist halt eine ganz andere Welt in die man eintaucht. Sie sind erschüttert über die Gegend in der die Familie, mit ihrem 12 jährigen Patenkind Esther, das zur Realschule geht, lebt. Die Ecke Lomés ist katastrophal. Sie werden im Hof der – man kann es nur so nennen - Behausung empfangen. Esther hat zwei lebhafte, ältere Schwestern, die sogar ein paar Wörter Deutsch sprechen. Die Mutter ist nach einem Schlaganfall gehbehindert und kümmert sich zudem noch um ihre Nichte, da deren Eltern verstorben sind. Die Nichte wird auch von Togo-Hilfe unterstützt. Alle sind „herausgeputzt“. Der Vater ist leider ein Totalausfall und das Problem der Familie. Die Mutter ist der Dreh- und Angelpunkt der Familie. Sie dankt allen für die Nächstenliebe aus Deutschland. Die mitgebrachten T-Shirts und das Kleid werden von den Kindern sofort angezogen und stolz präsentiert.
Jürgen kommt zu seinem Patenkind Jean-Claude, der Sohn unseres verstorbenen Fahrers Noel. Er erwartet den Bus schon „um die Ecke“. Der Müll auf der Straße wird in Brand gesetzt damit er verschwindet. Jean-Claude ist 21, hat gerade Abitur gemacht und studiert nun Buchhaltung und Controlling an der Universität in Lomé. Er steht dafür morgens um 3.00 h auf, hilft seiner Mutter, die auf dem Markt arbeitet, im Haushalt um dann um 5.30 h mit dem Sammelbus zur Universität zu fahren, da um 7.00 h die Vorlesungen beginnen. Er wird nach verschiedenen Praktikas entscheiden welchen beruflichen Weg er einschlagen möchte. Jürgen und Jean-Claude haben seit Jahren jährlich intensiven Briefkontakt. Die Unterstützung läuft seit 15 Jahren. Jürgen ist begeistert, dass Jean-Claude „mitten im Leben steht“, weiß was er will, seinen Weg machen wird und die geleistete finanzielle Unterstützung dazu beigetragen hat. Da Jean-Claude Fußballtrikots sammelt bekommt er ein FC-Köln-Jubiläumstrikot von Jürgen. Der Abschied ist tränenreich, herzlich, rührend und mit einer nicht endenden Umarmung.
Alle Paten sind auch beim Abendessen und danach noch sehr aufgewühlt. Sie sind dankbar für die von Togo-Hilfe geleistete Arbeit vor Ort hier in Lomé. Insbesondere für den Besuch von Aimé und Sally in jedem Quartal beim Patenkind, sowie die dann stattfindende persönliche Patengeldauszahlung. Besonderer Dank gilt unserer Patenschaftsbeauftragten Uschi Guss, aber auch Silvia und Klaus Schmid, die jährlich im November alle Patenkinder besuchen. Was für ein Ostermontag!