Herr Firmenich, seit 20 Jahren leisten Sie in Togo Hilfe zur Selbsthilfe. Worauf sind Sie besonders stolz?
Interview Rheinbach: Die erste Spende waren 312 Kilo Papier, aktuell geht es um den Bau eines Frauenhauses. Seit 20 Jahren setzt sich die Rheinbacher Togo-Hilfe für die Menschen in dem Land ein – alle voran der Gründer und Vereinsvorsitzende Michael F. Firmenich.
Brillen für die Kinder, Brunnen zur Trinkwasserversorgung, aber auch Ausstattung für Schulen, Kindergärten, Krankenstationen und Ausbildungszentren: Seit 20 Jahren engagiert sich der Rheinbacher Verein Togo-Hilfe in dem westafrikanischen Land. Dabei hat er vor allem die Zukunft der Kinder im Blick. Rund 1,2 Millionen Euro Spendengelder sind laut dem Vorsitzenden Michael F. Firmenich seitdem in Projekte geflossen. Auch eine komplette Zahnarztstation für ein Krankenhaus in Kpalimé, die Ausstattung eines Augenprüfraumes sowie viele Maschinen und Werkzeuge hat der gemeinnützige Verein bereits nach Togo gebracht. Zu den Gründungsmitgliedern im Jahr 2002 zählte neben Firmenich der damalige Rheinbacher Bürgermeister Stefan Raetz. 24 Mal ist Firmenich schon nach Togo gereist, auch aktuell ist er mit weiteren Vorstandsmitgliedern dort. Kurz vor seiner Abreise hat der 70-jährige Optiker mit Antje Jagodzinski nicht nur über die Anfänge seines Engagements und die erste Spende gesprochen, sondern auch über das bisher größte Projekt des Vereins.
Interview mit Antje Jagodzinski vom General Anzeiger
Michael Firmenich: Auf all das, was wir bisher erreicht haben. Wir schaffen es, dass sämtliche Spendengelder eins zu eins in die Projekte gehen. Die Kosten, die für den Verein anfallen, wie Porto, Internet und das Gehalt für unseren Koordinator vor Ort, der seit 2003 sehr zuverlässig für uns arbeitet, tragen die 29 Mitglieder. Jeder Spendencent geht so in die Projekte. Wir sind klein, aber stark.
Woher rührt denn ihr Engagement für Togo? Warum helfen Sie ausgerechnet dort?Firmenich: Das war Zufall. Ich war im Jahr 2000 mit zwei Kollegen in Ghana, um mir die Arbeit eines anderen Vereins anzuschauen, den ich seit zehn Jahren unterstützt hatte. Das Engagement des holländischen Paters Kramers, der Optikmaschinen, Rohgläser und Brillen bei Optikern in ganz Deutschland sammelte, hat mich beeindruckt. Als aber in Ghana auf uns geschossen wurde, sind wir rüber nach Togo in die Hauptstadt Lomé. Über einen Kontakt zu einem Mitarbeiter der deutschen Botschaft konnten wir dann mit einem Guide zu dritt durchs Land reisen.
Und da haben Sie die Not gesehen?
Firmenich: Ja. Es ging dann auch in die Buschregion, wo 95 Prozent der Erwachsenen Analphabeten sind. Dort trafen wir auf einen arbeitslosen Lehrer, den Eltern verpflichtet hatten, ihren Kindern Unterricht zu geben. Da stand eine einfache Tafel unter Palmenblättern, es gab kein Gebäude, keine Bücher, keine Kreide, keine Hefte, keine Stifte, gar nichts.
Und dort, in Kpalimé, haben Sie dann nach und nach eine Schule errichtet?
Firmenich: Ja. Die erste Spende waren 312 Kilo Din-A4-Papier, das werde ich nie vergessen. Die habe ich per Paketdienst nach Fürstenfeldbruck geschickt, und von dort aus ging ein Container nach Togo. Auch Kreide und Bleistifte haben wir besorgt. Dann habe ich – alles noch privat – Spenden für einen Schulbau gesammelt. Irgendwann kamen die Freunde und sagten: „So, jetzt bräuchte ich aber mal eine Spendenbescheinigung.“ So kam es 2002 zur Vereinsgründung.
Eines der Hauptziele des Vereins ist es, Kinder mit Brillen auszustatten. Wieso gerade das?
Firmenich: Als ich vor Ort Eltern gefragt habe, warum ihre Kinder nicht in der Schule sind, war die Antwort, sie seien behindert. Aber die einzige Behinderung, die ich durch Befragung festgestellt habe, war schlechtes Sehen. Stellen Sie sich vor: Ein Kind gilt als behindert, weil es einen Ball nicht richtig sieht und daneben tritt. Das ist ein Drama! Da ich Optiker bin, habe ich dann die Augen der Kinder geprüft – im Busch, ohne Strom. Mein Beruf ist mein Leben, und da habe ich gemerkt, damit kannst du was bewirken.
Neben den Augenprüfungen haben Sie noch viele weitere Projekte. Wonach suchen Sie diese aus?
Firmenich: Nach Bedürftigkeit. Wir arbeiten mit den Dorfkomitees zusammen und auch mit verschiedenen Frauengruppen, die sind in Togo sehr stark. Dringend nötig sind eigentlich immer vier Dinge: Schulen, Toilettenanlagen, Brunnen und Kindergärten. Und wenn wir in einem Dorf gearbeitet haben, und das Ganze floriert, dann ziehen wir uns auch wieder zurück. Hilfe zur Selbsthilfe heißt, es muss dann auch ohne uns weiterlaufen. Deshalb bauen wir auch so, dass die Bevölkerung etwas dazu beitragen muss. Circa 20 Prozent sind Eigenleistung. Die Bewohner können zum Beispiel Sand und Wasser schleppen, um Betonsteine zu machen, und das freut sie auch, weil sie sehen, was sie geschafft haben.
Sie möchten die Bewohner also mitnehmen?
Firmenich: Genau. Und mitnehmen heißt auch, dass wir unseren Ethik-Katalog servieren. Da geht es zum Beispiel darum, dass die Lehrer die Kinder nicht schlagen dürfen, sie nicht mit zur Arbeit aufs Feld nehmen dürfen und dass die Mädchen nicht beschnitten werden.
Und wer kontrolliert das?
Firmenich: Die Frauengruppen, und es spricht sich rund, wenn da einer gegen verstößt. In einem Fall haben wir auch mal verwarnt und waren ein halbes Jahr lang nicht dort.
Haben Sie ein Herzensprojekt?
Firmenich: Wir haben in einem Dorf mit einer großen Krankenstation eine Bohrung für einen Wasserturm durchgeführt. Wasser ist Leben und erhält Leben, weil es Hygiene ermöglicht. Und aktuell bauen wir ein Frauenhaus zum Schutz für weibliche Auszubildende, direkt in einem neuen Berufsausbildungszentrum für EDV-Berufe und Krankenpfleger, das eine befreundete Organisation errichtet hat. Wir machen bei unserer Reise jetzt die Grundsteinlegung und im April fliegen wir mit einer größeren Gruppe hin, dann soll alles fertig für die Einweihung sein. Das Frauenhaus ist mit 80.000 Euro das größte Projekt, das wir je hatten.
Warum finden Sie es so wichtig, gerade in Togo zu helfen?
Firmenich: Togo ist eines der ärmsten Länder der Welt. Es ist ein diktatorisch regierter Staat und je aufgeklärter die Menschen sind, desto besser wird es für die Zukunft werden. Deshalb geht es um Bildung, Bildung, Bildung. Das ist wahnsinnig wichtig.
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